Freitag, 4. Februar 2011

Zum Sport, liebe Wahlkampfteams

Es ist immer wieder ein erfreulicher Anblick, wenn man aus dem Zug steigt und als erstes seinen Freund und Helfer sieht... bzw. gleich mehrere davon. Und sie alle könnten einen 48h-Aufenthalt auf dem Crosstrainer in einer Sauna gebrauchen, so üppig rund präsentieren sich ihre Oberkörper unter dem funktionellen blauen Dresscode.
Die traurige Wahrheit ist leider, dass wieder einmal Fußball ist. Eigentlich kein Grund für Trübsal, ist es doch immerhin der Sport, der Deutschland das Sommermärchen 2006 beschert hat. Sobald jedoch der Bundesliga-Alltag wieder eintritt, sieht die Sache ganz anders aus.

In Hannover ist Schalke zu Gast. Das sieht man deutlich, obwohl es noch 3 Stunden bis zum Spiel sind und sich noch wenig Schalker Fans am Hauptbahnhof tummeln. Trotzdem patroullieren, in welche Richtung man auch guckt, die dick gepanzerten Schutzmänner und -frauen. Auf dem Ernst-August-Platz stehen mehr blau-weiße und grüne Fahrzeuge, als Taxis.
Warum das notwendig ist, demonstrieren die ersten Fans gleich eindrucksvoll negativ: steinzeitliche Laute irgendwo zwischen Gröhlerei und Walgesang, gepaart mit sinnlosen Floskeln rund um die Bezeichnung des Lieblingsvereins Die Lautstärke steigt dabei überproportional zu Fanmenge und Alkoholkonsum.

Weil solch vergleichsweise kleine Gruppen ihre geistige Bewusstlosigkeit jedoch bei jeder Gelegenheit zur Schau stellen müssen, sind immer größere Polizeiaufgebote offenbar notwendig geworden. Ein Trauerspiel sowohl für Außenstehende, als auch für friedliche Fans, denen es in erster Linie wirklich um den Sport geht und die im Zweifelsfall auch vernünftig mit dem sicher nicht pauschal zu ächtenden Konsum von Alkohol umgehen können.

Sicherheit hat aber ihren Preis:
Natürlich ist es Aufgabe der Polizei, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Aber ist es auch ihre Aufgabe, die Problemfälle des deutschen Fußballs auf Schritt und Tritt überwachen zu müssen?
Hier mal ein paar nüchterne Zahlen, was den Steuerzahler diese "Fans" kosten:

  • 100 Mio € (in Worten: einhundert Millionen, das sind 8 Nullen zwischen der 1 und dem Komma!) kosteten die Einsätze der Polizei zur Begleitung von Fußballspielen im Jahr 2010
  • ca. 1 Million Einsatzstunden, wovon viele sicher nicht auf dem regulären Dienstplan stehen, sondern Überstunden bedeuten (also Einsatzstunden, die dann an anderer Stelle fehlen oder noch teurer zu Buche schlagen)
  • das alles wegen geschätzten 12.000 Problemfans (die damit sicher noch genügend weitere zur Nachahmung animieren)
  • ca. 1.000 Polizisten sind umgerechnet alleine dafür da, um sich um die Belange des Fußballs zu kümmern
Sowas muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
ein Mensch, der mit seiner Zeit nichts besseres anzufangen weiß, als durch die Bundesrepublik zu reisen und Belästigung, Sachbeschädigung oder Körperverletzung unter dem Vorwand der Vereinstreue zu seinem Hobby zu machen, kostet die Bundes- und Landeshaushälter über 8.000€ im Jahr.

Es ist schon lange fällig, dass dieses Geld nicht vom Steuerzahler aufgebracht werden sollte, sondern von denjenigen, die den meisten Einfluss auf diese Problemfälle haben: die Fußballvereine selbst.
Natürlich sind solche Ausgaben für einen Dorfverein der Kreisklasse überhaupt nicht finanzierbar. Aber wie siehts am anderen Ende der Fußballnahrungskette aus?
In der Bundesliga werden jährlich Geldbeträge Millardenbereich verschoben, 2008/09 waren es 2,03 Mrd. €. Der Sport ist eine feste Größe in der Medien- und Unterhaltungs-, aber auch der Bekleidungsindustrie und sonstiger Mitglieder der unmittelbaren Supply Chain, wie Merchandising- oder Ticket-Shops.

Doch während andere Unternehmen für Sondereinsätze der Uniformierten zur Kasse gebeten werden, drücken sich DFB und DFL bislang erfoglreich vor einer Beteiligung an den durch Fußball verursachten Kosten. In der Tag klingt es sogar wie Hohn, wenn DFL-Chef Rauball sagt "Zur Freude habe ich festgestellt, dass niemand da war in der Runde, der so eine Forderung gestellt hat.". Immerhin kann man sich mit der Erfolgsmeldung brüsten, man habe 3.500 Stadionverbote ausgesprochen.
Entschuldigung, aber müsste die Zahl nicht irgendwie auch "12.000" sein?
Was natürlich die Betroffenen nicht davon abhält, trotzdem zum Spiel anzureisen und für noch mehr Aufmerksamkeit abseits des Spiels zu sorgen - echte Fans eben.

Eine solche Forderung würde in erster Linie auch die Einbringung einer Gesetzesänderung erfordern. Wie Bundesinnenminister de Maizière bestätigte, sah bisher offenbar keine Partei die Notwendigkeit, sich angesichts der historischen Rekordverschuldung in 2010 um diese Peanuts zu kümmern.

Vielleicht sind bei den nächsten Landtags- oder Bundestagswahlen ja ein paar clevere Wahlkampfteams dabei, die sich dieses Missstandes endlich annehmen.

Und wenn nicht, vielleicht macht wenigstens Bahnchef Grube von seinem Hausrecht Gebrauch und sorgt dafür, dass Alkohol (Vorbild Metronom) und 12.000 Problemfälle gar nicht erst dort ankommen, wo die teuren Überstunden unserer Gesetzeshüter entstehen.
Dafür ärgere ich mich dann auch nicht über die nächste Fahrpreiserhöhung.

Quellen: